Das Angebot an bestehenden Vorgehensweisen und softwarebasierten Werkzeugen ist kaum mehr zu überblicken. Nicht selten wird man daher schnell dazu verleitet, zu einer komplizierten Lösung zu greifen, die oftmals mit einem gigantischen Overhead verbunden ist. Der Blick auf das Wesentliche geht hierbei schnell verloren. Komplexität als Lösungsweg? Nein Danke! In vielen Fällen ist es keine Schande, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen und sich an einer simplen Lösung zu freuen.
Everything should be made as simple as possible, but not simpler.
Albert Einstein
Ja, einfach ist wirklich oft die Lösung. In diesem Zusammenhang helfen uns scheinbar simple To-do-Listen dabei, Aufgaben zu planen und deren Fortschritt stetig zu kontrollieren. Verbunden mit meist senkrechten Kontrollkästchen, die uns besitzen, quälen und hervorheben, was wir nicht geschafft haben. Seien wir ehrlich: To-do-Listen überfordern uns seelisch, sie werden immer länger und üben einen beharrlichen Druck aus. Wir Menschen mögen diesen Arbeitsstil nicht.
Was wir benötigen ist ein Kontext!
Wir möchten nicht nur Prioritäten und den gewünschten Fertigstellungszeitpunkt sehen, sondern auch erkennen, wie unsere erledigten Aufgaben unsere Optionen für die zukünftigen Tätigkeiten beeinflussen. Wir möchten unsere Tätigkeiten auf einer Landkarte sehen, die den Fluss der Arbeit darstellt. Wir möchten flexibel und effektiv sein und vor allem eine einfache Methode verwenden – egal ob beruflich oder privat. Wir möchten Personal Kanban.
Kanban (deutsch: „Karte“, „Tafel“, „Beleg“): Entwickelt wurde das Kanban-System bereits in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts von dem Automobilkonzern Toyota. Das Ziel war es, Lagerbestände zu reduzieren und die Effizienz von Produktionsprozessen zu steigern. Inzwischen hat sich diese Methode weiterentwickelt, sodass verschiedene Adaptionen von Kanban entstanden sind – darunter auch Personal Kanban.
Personal Kanban ist eine einfache und effektive Methode, die sich zugleich sehr simpel umsetzen lässt. Hierzu müssen Sie nur zwei Regeln beachten:
Regel 1: Stellen Sie Ihre Arbeit bildlich dar!
Ihre Arbeit muss visualisiert werden. Wenn wir etwas nicht sehen, ist es oft schwierig, die Kontrolle über das Vorhaben zu ergreifen. Denn durch eine bildliche Darstellung fällt es uns leichter, unsere Arbeit im Kontext zu verstehen. Wir können somit unerwartete Elemente besser sichtbar machen (Marktänderungen, politische Einflüsse), anstatt dass wir uns nur auf die offensichtlichen Elemente unserer Arbeit stürzen (Zeit, Aufwand, Ressource).
Regel 2: Machen Sie nicht zu viel auf einmal!
Wir können in der Regel ein Vorhaben nur dann sinnvoll bewältigen, wenn wir die Menge an parallelen Aufgaben begrenzen. Das Prinzip des Engpasses soll uns dabei helfen, uns besser auf die Arbeit zu fokussieren, flexibel auf Änderungen zu reagieren und zu beenden, was wir beginnen. Indem wir nach dem Pull-Prinzip (Hol-Prinzip) arbeiten, nehmen wir nur die Arbeit an, die auch tatsächlich abgearbeitet werden kann. Dies wirkt sich unter anderem positiv auf den Arbeitsfluss sowie den Durchsatz aus.
Doch wie muss ich jetzt konkret vorgehen?
Für Ihr erstes Personal Kanban benötigen Sie zunächst ein übersichtliches Board. Dies könnte z. B. eine Pinnwand, eine Tafel, ein Whiteboard oder etwas Ähnliches sein. Bringen Sie das Board an einem Ort an, an dem es für Sie jederzeit zugänglich ist. Erfahrungsgemäß sollte Ihre Einkaufsliste ein Whiteboard, abwaschbare Stifte und Haftnotizzettel beinhalten (Post-its).
Stellen Sie in einem weiteren Schritt die Wertschöpfung Ihrer Arbeit dar. In der einfachsten Variante teilen Sie das Board senkrecht in drei gleiche Teile und beschriften die Spalten mit den Überschriften „BEREIT – IN ARBEIT – FERTIG“ (Regel 1).
Nachdem Sie den Fluss Ihrer Arbeit vom Anfang bis zum Ende bildlich dargestellt haben, beginnen Sie nun damit, Ihr persönliches „Backlog“ mit Arbeit zu füllen. Nutzen Sie hierfür Ihre Haftnotizen und erfassen Sie alle offenen Aufgaben auf den Post-its. Lassen Sie nichts unter den Tisch fallen. Schreiben Sie wichtige, aber auch eher unwichtige Aufgaben auf. Schreiben Sie z. B. „Projektabschluss vorbereiten“ oder „Steuererklärung anfertigen“. Breiten Sie Ihre Post-its in der Nähe des Whiteboards aus. Entscheiden Sie ferner, welche Aufgaben zuerst erledigt werden müssen und füllen Sie die Spalte „Bereit“ mit Ihren Post-its.
Bevor Sie mit Ihrer Arbeit beginnen, limitieren Sie die Anzahl der Aufgaben, die Sie in einem Zeitraum bearbeiten möchten. Finden Sie Ihren optimalen Bereich, beispielsweise drei Aufgaben, und schreiben Sie diese Zahl über Ihre Spalte „In Arbeit“. Sie limitieren somit Ihren Durchsatz und schaffen einen Engpass. Dieser essenzielle Grundsatz hilft Ihnen dabei, die optimale Menge an Arbeit in einer optimalen Geschwindigkeit zu erledigen (Regel 2).
Beginnen Sie nun, Ihre Arbeit wortwörtlich auf dem Board zu bewegen. Überführen Sie eine Aufgabe von der Spalte „Bereit“ in die Spalte „In Arbeit“. Achten Sie jedoch darauf, Ihre Arbeit anhand des derzeitigen Kontextes zu priorisieren und auf keinen Fall mehr Aufgaben in die Spalte zu überführen, als Ihr festgelegtes Limit zulässt. Überführen Sie eine Aufgabe wirklich auch nur dann in die Spalte „Fertig“, wenn diese zu 100 % abgeschlossen ist. Indem Sie Ihre Aufgaben von links nach rechts bewegen, visualisieren Sie einen Wertstrom und befriedigen gleichzeitig den Drang Ihres Gehirns nach Abschlüssen.
Nehmen Sie sich nach Fertigstellung der Aufgaben einen Moment Zeit, um über Ihre Effektivität mithilfe dieser Methode nachzudenken. Welche Maßnahmen könnten sich darüber hinaus positiv auf die Erledigung der Aufgaben auswirken? Sehen Sie Personal Kanban als eine Methode mit wenigen wichtigen Regeln an, die entsprechend Ihrer individuellen Bedürfnisse ohne Zweifel angepasst werden kann.
Zusammenfassend ist Personal Kanban eine einfache, elegante und kollaborative Lösung, die mit wenig Einsatz beachtliche Ergebnisse liefern kann. Insbesondere, wenn Sie das Gefühl haben, dass es in Ihrem Kopf wie zur Rushhour in Mexico City zugeht und Ihre Aufgaben im dichten Verkehr verstopfen. Klar ist, Personal Kanban liefert keine Kristallkugel, es ist auch keine Raketenwissenschaft erforderlich – nur Sie, Ihre To-dos und eine optimierte Planung.
Quellen:
- Personal Kanban: Visualisierung und Planung von Aufgaben, Projekten und Terminen mit dem Kanban-Board, Broschiert – 2. Januar 2013 von Jim Benson (Autor), Tonianne DeMaria Barry (Autor), Meike Mertsch (Übersetzerin) (Autor).
- Real-World Kanban: Do Less, Accomplish More with Lean Thinking, Taschenbuch – 17. Juli 2015 von Mattias Skarin (Autor).