Mit dem Erwerb von Stimmrechtsaktien eines börsennotierten Unternehmens erhält man als Aktionär gleichzeitig auch bestimmte Rechte. Um die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern, wurde die „Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften“ veröffentlicht. Diese wurde nun mit der Shareholder Rights Directive II – auch: SRD II –, der „Richtlinie 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG in Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre“, überarbeitet und erweitert.
2019 wurde der politische Verhandlungsprozess in Brüssel abgeschlossen. Die SRD II-Richtlinie wurde in das nationale deutsche Recht, das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II), umgesetzt, welches am 29. November 2019 verabschiedet wurde. Am 01.01.2020 ist ARUG II in Deutschland in Kraft getreten.
SRD II bezieht sich auf börsennotierte Gesellschaften und ihren Vorstand, Aktionäre und Intermediäre. Hierbei handelt es sich um Personen, die Dienstleistungen der Verwahrung oder der Verwaltung von Wertpapieren oder der Führung von Depotkonten für Aktionäre oder andere Personen erbringen. Zusätzlich bezieht sich SRD II auf Proxy Advisors: Institutionelle Stimmrechtsberater, die Aktionäre bei der Ausübung des Stimmrechts auf Hauptversammlungen beraten.
Ziel der SRD II ist es, die Ausübung der Aktionärsrechte zu vereinfachen, mehr Transparenz zu schaffen und ein Handeln im Sinne des langfristigen Unternehmenserfolges zu fördern. Die weitreichendsten Änderungen wurden in den folgenden Bereichen vorgenommen:
- Kommunikation zwischen Gesellschaften und Aktionären
- Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung
- Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen
- Transparenz von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern
„Know-your-Shareholder“: Kommunikation zwischen Gesellschaften und Aktionären
Die Identifizierung von Aktionären ist für börsennotierte Gesellschaften schwierig, da Aktien oft über komplexe Ketten von Intermediären gehalten werden. Dies kann ein Hindernis für die Mitwirkung von Aktionären bedeuten, da die Kommunikation zwischen der Gesellschaft und den Aktionären nicht möglich ist. Um diese Hürde zu beseitigen, erhalten börsennotierte Gesellschaften durch die Reform der Aktionärsrechterichtlinie SRD II nun das Recht, ihre Aktionäre zu identifizieren, um direkt mit ihnen kommunizieren zu können. Dies wird durch eine Verpflichtung für Intermediäre umgesetzt, die Identität von Aktionären zu übermitteln, wenn die Gesellschaft diese anfragt. Mitgliedstaaten steht es frei, bei der Umsetzung der Richtlinie eine Ausnahmeregelung für Aktionäre zu schaffen, die nur eine geringe Anzahl an Aktien halten.
„Say-on-Pay“: Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung
Insbesondere in der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass es bei der Unternehmensleitung von vielen börsennotierten Gesellschaften Anreize gibt, die zu einer kurzfristigen hohen Risikobereitschaft führen. Diese resultieren aus dem Vergütungsmodell, bei dem die variable Vergütung entsprechend hoch ist, wenn das Unternehmen schnell wächst und profitabel ist. Das heißt, um ein möglichst hohes Gehalt zu erzielen, werden Entscheidungen getroffen, die darauf abzielen, das Unternehmen auf kurzfristige Sicht erfolgreich zu machen. Dadurch werden langfristige Erfolgspotenziale vernachlässigt.
Entscheidungen der Unternehmensleitung tragen sehr stark zum Unternehmenserfolg bei – kurzfristig sowie auch langfristig. Da das Vergütungsmodell einen großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat, muss dieses angemessen von den zuständigen Gremien innerhalb der Gesellschaft festgelegt werden. Bei jeder wesentlichen Änderung, aber spätestens alle vier Jahre, erstellt die Hauptversammlung nun ein Aktionärsvotum zur Vergütungspolitik. Dieses Votum ist unverbindlich und hat einen empfehlenden Charakter, soll allerdings vom Aufsichtsrat bei der Aufstellung des Vergütungsmodells berücksichtigt werden. Ebenfalls muss auch erläutert werden, inwieweit das Votum berücksichtigt wurde. Das Vergütungsmodell sollte nicht hauptsächlich auf kurzfristigen Zielen, sondern auf die langfristige Geschäftsstrategie ausgerichtet sein.
„Related-Party-Transactions“: Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen
Für ein Geschäft mit nahestehenden Unternehmen oder nahestehenden Personen ist ab einem bestimmten Volumen die Zustimmung des Aufsichtsrats notwendig.
Als nahestehendes Unternehmen oder nahestehende Person gelten nach dem internationalen Rechnungslegungsstandard (Verordnung (EG) Nr. 1126/2008) und § 111a AktG unter anderem Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften von Unternehmen und Aktionäre, die mit mehr als 20 % an der Gesellschaft beteiligt sind oder eine Schlüsselposition in diesem Unternehmen bekleiden (z. B. als Vorstände oder Aufsichtsratsmitglieder) sowie nahe Angehörige dieser Personen. Der Schwellenwert eines solchen relevanten Geschäfts liegt bei 1,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen. Der Aufsichtsrat, der einem solchen Geschäft zustimmt, darf nur aus Mitgliedern bestehen, die selbst nicht an dem Geschäft beteiligt sind und muss mehrheitlich aus Mitgliedern bestehen, bei denen kein Anzeichen für einen Interessenskonflikt besteht.
Der nationale Gesetzgeber kann bei der Umsetzung dieser Richtlinie eine Ausnahme beschließen, wenn es bereits geeignete Schutzmechanismen im nationalen Recht gibt, die die Interessen der Gesellschaften und der Aktionäre schützen. Ein geeigneter Schutzmechanismus könnte z. B. eine höhere Mehrheitsschwelle für die Zustimmung von Geschäften sein.
Der deutsche Gesetzgeber hat in ARUG II beispielsweise die Ausnahmeregelungen getroffen, dass 100%ige Tochterunternehmen von dieser Regelung ausgenommen sind sowie auch Geschäfte zu marktüblichen Konditionen, das heißt Geschäfte, bei denen die Leistung und die Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen und diese einem Vergleich mit einem Drittanbieter standhalten.
Transparenz von institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern
Institutionelle Anleger und Vermögensverwalter müssen nun transparent machen, warum sie sich für oder gegen eine Investition entschieden haben. Durch die Offenlegung der Anlagestrategie, sollen Anleger sensibilisiert und unterstützt werden, damit sie eine optimale Anlageentscheidung tätigen können.
Zudem soll nun öffentlich gemacht werden, wie institutionelle Anleger und Vermögensverwalter ihre Stimmrechte ausgeübt haben. Eine Ausnahme bilden abgegebene Stimmen, die z. B. aufgrund von zu geringen Stimmanteilen vernachlässigbar sind.
Insbesondere aufgrund der vereinfachten Kommunikation zwischen den Gesellschaften und den Aktionären und der Verpflichtung für Intermediäre, die Identität von Aktionären an die börsennotierten Gesellschaften zu übermitteln, wird sich das Kommunikationsvolumen bei depotführenden Kreditinstituten und Wertpapierunternehmen deutlich erhöhen. Zudem ist auch mit kürzeren Informationsfristen und neuen Anforderungen an die Datenqualität zu rechnen.
Benötigen Sie Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Anforderungen? Wir begleiten Sie gern bei der Umsetzung Ihrer neuen Kommunikationsprozesse. Wir freuen uns über Ihren Anruf oder Ihre Kontaktaufnahme per E-Mail.