In vielen Organisationen wird von Agilität und agilen Vorgehensweisen gesprochen. Hintergrund sind vor allem immer komplexer werdende Projekte, ein dynamisches Umfeld und immer schneller werdende Time-To-Market-Zyklen. Die klassischen Projektmanagementvorgehensweisen stoßen bei diesen Rahmenbedingungen an ihre Grenzen. Um den Anforderungen gerecht zu werden sind Veränderungen nötig.
Ein Wechsel hin zu mehr Agilität bedeutet zwangsläufig einen Kulturwandel im Team, Projekt und Unternehmen.
Kleine Gelegenheiten sind oft der Anfang zu großen Unternehmungen.
Demosthenes
Vielleicht ist gerade (noch) nicht die Zeit für eine agile Transition des gesamten Unternehmens, eine Chance für kleinere Änderungen oder Vorbereitungen aber schon. Gelegenheiten sollten genutzt werden, wie klein sie auch sein mögen.
Ich möchte in diesem Artikel Hilfen aufzeigen, die eine Einführung von Agilität im Team, im Projekt oder im Unternehmen (wie weit man es auch greifen möchte) erleichtern.
Fünf Tipps zur Einführung von agilen Vorgehensweisen
Die Einführung von agilen Methoden, Prinzipien und Werten ist nicht trivial. Es gibt vieles zu beachten und vieles falsch zu machen.
Die folgenden fünf Tipps sollen eine Starthilfe geben, um ein wenig agiler zu werden. Jeder Tipp macht den Weg zu einer agilen Kultur ein bisschen einfacher – gegangen werden muss er aber trotzdem und das gemeinsam.
Tipp 1: Kollaborationsmöglichkeiten einführen und nutzen
Agilität hat immer mit Transparenz und Informationsaustausch zu tun. Durch freien Informationsfluss können u.a. Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden. Überall verfügbare Möglichkeiten des Austauschs vereinfachen es einem Team, gemeinsam zu arbeiten, jeden zu informieren und immer informiert zu sein. Es ist naheliegend, diesem Informationsbedürfnis (ob bewusst oder unbewusst) gerecht zu werden.
Die heutige Technik mit einer Vielzahl von Kollaborationstools bietet out-of-the-box umfangreichen Informationsmöglichkeiten. So können Dokumentationen in Confluence für jeden sichtbar und auch änderbar abgelegt werden. Social Media erleichtert den direkten Austausch. Kommentarfunktionen geben allen Teammitgliedern die Möglichkeit, eigenes Wissen einfließen zu lassen.
Projektplanung und -durchführung per Jira Agile zeigt transparent, wer gerade woran arbeitet und was es ggf. für Hindernisse zu bewältigen gibt. Auch hier können Arbeitspakete mit Informationen im Sinne von Kommentaren angereichert werden.
Wir arbeiten gerne mit Jira Agile auf unserem „Unternehmens-Scrum-Board“. Jeder ist informiert über die aktuell angegangenen Tasks (oder weiß, dass er hier Informationen findet). Wöchentlich sprechen wir über den aktuellen Stand. Statusmeldungen und weitere Informationen werden transparent an die jeweiligen Tasks als Kommentar angefügt und sind für jeden sichtbar. Für uns hat sich gezeigt, dass dieses Vorgehen äußerst sinnvoll und hilfreich ist.
Obige Liste von Tools könnte noch weiter gefasst werden, so dass Blogs, CRM- und Dokumentenmanagementsysteme und viele weitere Tools in einer sinnvollen Zusammenstellung Informationen überall zur Verfügung stellen.
Tipp 2: Kulturveränderungen einleiten
Ein Team agil „machen“ heißt auch, sich von bestehenden Vorgehensweisen lösen und agile Werte einzuführen. Ein Schwenk hin zu kurzen Iterationen anstatt langer Releasezeiträumen, zur Fokussierung auf das eigentliche Ziel, nämlich dem am Ende stehenden Produkt, und zur Intensivierung der Zusammenarbeit, auch über Projektgrenzen hinweg, ist nicht zu unterschätzen.
Man muss loslassen, um neues Ufer erreichen zu können. Die Kultur im Team, Projekt und Unternehmen muss sich wandeln.
Veränderung ist das Gesetz des Lebens. Diejenigen, die nur auf die Vergangenheit oder die Gegenwart blicken, werden die Zukunft verpassen.
John F. Kennedy
Nun lassen sich natürlich über Veränderung ganze Bücher schreiben. Ich beschränke mich hier auf die wichtigsten Aspekte:
- Die Notwendigkeit der Kulturveränderung muss transparent gemacht werden.
- Es ist (vor allem durch Führungspositionen) eine volle Unterstützung für den Wandel nötig. (siehe Tipp 3)
- Die Formulierung einer sinnvollen Vision ist essentiell und muss kommuniziert werden.
- Blockierende Hindernisse müssen gesucht, erkannt und aktiv beseitigt werden.
- Kurzfristige Erfolge sind entscheidend. (siehe Tipp 5)
- Ein vermeintlich erreichter Sieg darf nicht frühzeitig ausgerufen werden.
- Die Veränderungen müssen nachhaltig bewahrt oder weiter verfolgt werden.
Alle obigen Punkte lassen sich auf eine These zusammenfassen: Der Herausforderung der Kulturveränderung muss genug Gewicht beigemessen werden – sie darf nicht unterschätzt werden!
Eine Kultur anzupassen ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Es müssen Ressourcen eingeplant werden, um Strukturen, Prozesse und Disziplin zu schaffen und zu bewahren - und dies (skalierend) sowohl in einem kleinen Projekt als auch in einem großen Unternehmen.
Tipp 3: Widerstände verstehen und abbauen – Akzeptanz schaffen
Die im vorherigen Tipp beschriebene nötige Veränderung wird auf Widerstände stoßen. Das ist natürlich und unumgänglich. Wichtig ist aber, sie zu verstehen und darauf einzugehen. Die aus dem Change Management bekannte Akzeptanzmatrix stellt eine Möglichkeit der Gruppierung dar. Es wird dabei nach persönlichen und sachlichen Risiken unterschieden.
Akzeptanzmatrix, Quelle: Mohr, Woehe, Diebold, 1998
Die Befürworter sind der Veränderung positiv gestimmt und eigentlich nur „ins Boot zu holen“.
Die Skeptiker sind von der Notwendigkeit der Veränderung nicht überzeugt. Sie sehen keine Verbesserungsmöglichkeit. Die Bremser hingegen beziehen die Veränderungen auf ihren persönlichen Status: Eine Veränderung kann aus ihrer Sicht weniger Geld und Einfluss oder im schlimmsten Fall einen Arbeitsplatzverlust als Ergebnis bedeuten.
Skeptiker und Bremser können und müssen aktiv überzeugt werden, während die Gegner der Veränderung in keiner Weise positiv gegenüberstehen. Hier bleibt letztlich nur, sie zu ignorieren und die Kraft in die beiden anderen Gruppen zu stecken.
Tipp 4: Unabhängige Coaches einsetzen
Wie funktioniert eigentlich die Veränderung in jedem Einzelnen von uns? Es ist letztlich ein Kreislauf und basiert auf unserem Wertesystem.
Unsere persönlichen Werte beeinflussen unser Verhalten. Durch unser Verhalten und unsere Interaktion mit der Umwelt sammeln wir Erfahrungen als Reaktion auf unser Verhalten. Die Erfahrungen fließen wiederum in unser Wertesystem ein und beeinflussen diese. Dieser Kreislauf ist nicht einfach zu durchbrechen. Externer Einfluss von außen, z.B. ein Coach, kann die Veränderung vereinfachen und beschleunigen. Er gibt Ratschläge wie man sich (in Bezug auf unser Thema) agiler verhalten und die agilen Werte in das eigene Wertesystem übernehmen kann.
Der oben vorgestellte Kreislauf lässt sich auch auf Teams übertragen, und auch dort gibt es sogar im definierten Vorgehensmodell einen Coach. Hier heißt er „Scrum Master“ und sorgt (unter anderem) dafür, dass die Werte hinter Scrum eingehalten werden.
Es ist somit irrelevant, ob es sich um eine Person, ein Team oder ein ganzes Unternehmen handelt. Eine Veränderung ist ohne Hilfestellungen von außen schwerer umsetzbar. Die objektive Sicht von außen und die Erfahrung eines Coaches sind nicht zu unterschätzen und nur zu empfehlen.
Tipp 5: Kurzfristige erste Erfolge vorweisen
Nichts ist schlimmer als etwas „neu“ und „anders“ zu machen, aber keinen Erfolg zu spüren. Kurzfristige Erfolge sind daher genauso wichtig wie das langfristige Ziel der Transformation in ein agiles Team oder Unternehmen.
Ich würde ein Pilotteam starten, das zeitnah erfolgreiche Ergebnisse liefert. Der Erfolg kann aufbereitet und transparent kommuniziert werden. Oder man schafft neue Kollaborationsmöglichkeiten, wie in Tipp 1 genannt.
Résumé
Agile Werte, Prinzipien und Vorgehensweisen können nicht über Nacht eingeführt werden. Es gilt: Alles zu seiner Zeit und dann, wenn es sinnvoll ist.
Letztlich wird jedes Team, Projekt und Unternehmen von äußeren Einflüssen geleitet. Der demografische Wandel und die damit zusammenhängende Implikationen, ein schneller Zugriff auf alle wichtigen Informationen, selbstorganisierende Teams und übergreifende Zusammenarbeit sind Chancen, auf die Einflüsse zu reagieren.
Meine Tipps sind eine erste Hilfestellung und bilden einen Nährboden, um weitere Schritte zu gehen. Es ist eine Auswahl und offensichtlich nicht vollständig. Jeder agile Coach kann aus seinem Repertoire weitere Tipps geben. Sprechen Sie mich gerne an und teilen mir Ihre Tipps mit oder nutzen Sie die Kommentarfunktion, um alle Leser teilhaben zu lassen.
[Einleitungsbild: Flynt/bigstockphoto.com]